Von der Schwäche zur Stärke: Warum ich meine Introvertiertheit heute mehr wertschätze.

Ich bin selbst introvertiert und identifiziere mich mit dem Persönlichkeitstyp INFP-T im Myers-Briggs-System. Lange Zeit dachte ich, man müsse super extrovertiert, laut und exzentrisch sein, um als Fotografin ernst genommen zu werden, um Kunden zu gewinnen und um gute Arbeit zu leisten. Diese Vorstellung ist noch immer weit verbreitet, aber meiner Meinung nach ist sie einfach nicht wahr. Einige Dinge sind für uns introvertierte Fotograf*innen schwieriger, wie etwa in großen Gruppen zu sein oder öffentlich zu sprechen, aber ich versuche, das Introvertiertsein inzwischen als eine geheime Superkraft zu sehen.

Introvertierte Personen sind meist gute Zuhörer

Wir „Stillen“, neigen dazu, wirklich zuzuhören und die Ideen und Gefühle anderer zu berücksichtigen. Wir achten auf die kleinsten Details, machen uns geistige Notizen und konzentrieren uns darauf, was andere ausdrücken wollen. Introvertierte bevorzugen es, hinter Fassaden zu blicken, weshalb sie oft spezifischere Fragen stellen. Sie suchen häufig nach einem tieferen Sinn in Themen und möchten mehr über die Persönlichkeiten anderer erfahren.

Introvertierte Personen haben oft kreative, originelle Köpfe

Viele Introvertierte sind sehr kreativ. Viele interessieren sich für das Schreiben, die Kunst, Fotografie, Musik oder für Filme – im Grunde alles, was ihnen erlaubt, ihre fantasievolle Seite auszudrücken. Sie nutzen oft ihr abstraktes Denken und ihre einzigartigen Perspektiven und suchen ständig nach Lösungen für kreative Probleme. Kunst zu schaffen ist der reinste, authentischste Weg, sich selbst und seine Ideen über die Welt auszudrücken. Ohne diese kreative Ausdrucksform würden viele Introvertierte unglücklich und unerfüllt sein. Ich ganz sicher auch.

Introvertierte haben auch oft ihre eigenen Vorlieben, die weniger von dem beeinflusst werden, was gerade in den sozialen Medien angesagt ist. Ihre Tendenz zum Individualismus hindert sie oft daran, dem Mainstream zu folgen, wodurch ihre Arbeit oft einzigartig oder ungesehen wirkt. Es kommt nicht selten vor, dass sie sich zu Dingen hingezogen fühlen, die individueller, ein wenig ungewöhnlicher oder ziemlich nischig sind.

Introvertierte Personen sind ruhig

Und ich finde, das ist keine schlechte Eigenschaft, wenn es darum geht, Momente einzufangen. Da Introvertierte im Alltag oft empfindlicher auf äußere Einflüsse reagieren, haben viele von uns die Gabe, den ganzen Lärm, das Getümmel und den Trubel auszublenden und sich auf das zu konzentrieren, was im Moment wichtig ist oder aber sie nehmen genau das sehr viel mehr auf und erleben Situationen extremer. Ich gehöre zu letzten.

Wir Introvertierten können uns oft leise einfügen, was es uns ermöglicht, sehr diskret zu fotografieren, ohne Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Diese ruhigen Momente sind meine persönlichen Favoriten, weil sie vollkommen authentisch und echt sind.

 

Introvertierte Personen sind sehr gute Beobachter

Introvertierte haben hervorragende Beobachtungsgabe, und das ist etwas, das mir als großteils dokumentarische Fotografin sehr hilft. Beobachtungen helfen mir, die subtilen Momente und Details zu erkennen und sie in meine Bilder einzubringen. Ich fühle mich immer mehr zu den ruhigen Momenten hingezogen als zu den lauten und möchte alles festhalten. Besonders all das, was vielen normalerweise verborgen bleibt. Sei es Vorfälle bei Hochzeiten, die unbemerkt bleiben, kleine Gesten der Zuneigung, Körpersprache – Introvertierte achten genau auf nonverbale Signale, die tiefere Bedeutungen offenbaren können. Für mich ist diese Fähigkeit entscheidend, um eine Geschichte auf eine bedeutungsvolle und emotionale Weise zu erzählen.

Introvertierte bevorzugen oft Qualität über Quantität

Introvertierte wählen mit Bedacht. Das gilt sowohl für die Auswahl von Freunden als auch für potenzielle Kunden. Introvertierte können förmlich spüren, wie ihre Energie durch die Anwesenheit von Fremden oder großen Gruppen aufgebraucht wird. Aus diesem Grund wähle auch ich meine Kunden mit Bedacht. Ich begleite lieber eine kleine Anzahl von Kunden, mit denen ich mich wirklich wohlfühle und in die ich meine Zeit und Energie voll investieren kann, als viele Kunden gleichzeitig. So nehme ich auch nur eine kleine Anzahl an Shootings pro Jahr an und kann mich viel besser auf die wenigen konzentrieren, die ich habe. Nur so kann ich für jeden Kunden die bestmögliche Arbeit leisten.

Introvertierte haben eine beruhigende Wirkung auf andere.

Ja, wir bevorzugen oft die Stille und hassen Smalltalk, aber das bedeutet nicht, dass wir keine Menschen mögen oder dass wir uns nicht in tiefgründige Gespräche vertiefen können. Introvertierte werden oft als „zu privat“ oder „asozial“ bezeichnet. Aber für viele von uns ist das weit entfernt von der Realität. Genau wie Extrovertierte brauchen auch Introvertierte soziale Interaktionen und mögen es, neue Menschen kennenzulernen. Wir gehen nur anders mit sozialen Situationen um. Wir haben eine starke Abneigung gegen Konflikte und würden uns wünschen, dass einfach alle nett sind und sich gut verstehen. Das bedeutet, dass Introvertierte in der Regel sehr unkomplizierte, freundliche Menschen sind, die alles tun werden, um alle glücklich zu machen.

Fazit

Introvertierte Fotografinnen haben vielleicht in bestimmten Situationen ihre Schwierigkeiten, profitieren aber enorm von ihren leisen Eigenschaften. Dies ist etwas, worüber in der Branche selten gesprochen wird, und viele introvertierte Fotografinnen versuchen, sich anzupassen, indem sie so tun, als wären sie Extrovertierte und spielen eine Rolle, die sie nicht sind.

Persönlich denke ich inzwischen, dass es eine Stärke ist, introvertiert zu sein und dass diese Stärke eher gefeiert als hinter einer lauten und exzentrischen Fassade versteckt werden sollte.

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